Folli Follie – Betrugsfall?

aktueller Kurs: 6,8 Euro

Am Freitag ging in den Kommentaren zu meinem ersten Folli Follie Artikel schon die Diskussion darüber los, dass ein amerikanischer Hedgefonds eine Studie veröffentlicht hat, nach der Folli Follie Bilanzbetrug vorzuwerfen ist. Der Kurs befindet sich seit Freitag deshalb im freien Fall und hat sich insgesamt mehr als halbiert.


Quelle: comdirect

Ich habe gestern begonnen mich intensiver damit auseinanderzusetzen, was an den Vorwürfen dran sein könnte und bin in jedem Fall der Meinung, dass kurzfristig bei Folli Follie weitere starke Kursbewegungen anstehen. Entweder der Kurs erholt sich, weil die Vorwürfe falsch oder zumindest übertrieben sind, wie bei Aurelius vor ungefähr einem Jahr, oder das Unternehmen könnte sogar in Richtung Insolvenz mit Kursziel Null gehen.

Unabhängig davon ist dieser Fall wieder ein schönes Beispiel für behavorial finance. Aurelius habe ich interessiert von der Seitenlinie verfolgt, aber sicherheitshalber nicht investiert. Bei Folli Follie habe ich schon ein paar Aktien und da fällt es mir gleich einiges schwerer die Position auf Null zu stellen, während ich noch versuche zu verstehen, ob die Vorwürfe berechtigt sind oder nicht.

Quintessential Capital Management

Quintessential Capital Management ist ein long/short Hedge Fonds aus New York. Auf seekingalpha hat jemand geschrieben, dass man dort etwa USD 50 Mio. verwalten soll. Wenn das stimmt, wird die Mannschaft, die für Quintessential arbeitet wohl nicht riesig sein. Auf der Webseite findet man eine Präsentation und einen Report mit den Vorwürfen aber keine wesentlichen Informationen zu der Firma an sich.

An der Veröffentlichung des Materials hat Quintessential auf jeden Fall ein Eigeninteresse, denn man weist korrekterweise darauf hin, dass man eine Short Position aufgebaut hat. Das nennt man heutzutage wohl aktivistische short Strategie. Ich mag aktivistische Strategien, denn die Unternehmen gehören den Anteilseignern und viel zu häufig benimmt sich das Management so, als ob es die Manager sind, denen das Unternehmen gehört. Bei Aktivismus in Verbindung mit Short Strategien bin ich allerdings nicht so überzeugt. Denn dann geht es bei der Analyse des Unternehmens nicht mehr zwangsläufig darum, ob die eigene Analyse so eindeutig ist, dass eine Short Position Sinn macht, sondern unter Umständen nur doch darum, ob man genug negative Fakten (und Annahmen) zusammengetragen hat, um den Kurs deutlich negativ zu beeinflussen. Es gibt aber auch die anderen Fälle, in denen wirkliche Missstände aufgedeckt werden. Der Vorzeigefall von Quintessential war 2015 eine andere griechische in England an der Börse notierte Firma namens Globo plc. Da war es tatsächlich so, dass der CEO schon zwei Tage nach den Vorwürfen von Quintessential alles zugegeben hat und die Gesellschaft kurz darauf in die Insolvenz gegangen ist.

Vorwürfe gegenüber Folli Follie

Quintessential wirft Folli Follie im Wesentlichen 6 Punkte vor:

1. Es gibt massiv weniger Verkaufsstellen als berichtet

Im Geschäftsbericht 2016 wurden weltweit 630 Verkaufsstellen für die Marke Folli Follie angegeben, davon 65 in Japan und 240 in China. Quintessential hat versucht diese Angabe zu kontrollieren und stellt die Anzahl nun ganz deutlich in Frage. Schon die eigenen Angaben machen Folli Follie angreifbar, denn einerseits wurden die genannten Angaben im 2016‘er Abschluss gemacht und andererseits ergab die Ladensuche auf der Folli Follie Unternehmenswebseite nur 520 Verkaufsstellen (185 in China), obwohl die Gesamtzahl der Verkaufsstellen mit dem Jahresabschluss übereinstimmte. Auf der Folli Follie Markenwebseite befindet sich auch eine Ladensuche, nach der Quintessential nur 425 Verkaufsstellen als Gesamtheit angezeigt wurden, allerdings hat man sämtliche Verkaufsstellen heruntergeladen und hatte dann plötzlich 580 Datensätze und keine 425.

Um diesen Diskrepanzen auf den Grund zu gehen, hat Quintessential eigene Recherchen angestellt und versucht jede einzelne Verkaufsstelle zu checken, in dem man z.B. zu den angegebenen Öffnungszeiten dort angerufen hat und im Internet zu jeder Verkaufsstelle recherchiert hat. Diese Recherche hat ergeben, dass insgesamt 154 Verkaufsstellen nicht (mehr) existieren, davon 65 in China und 22 in Japan. Bei diesen Verkaufsstellen konnte dies nach eigenen Angaben eindeutig festgestellt werden, weil man zum Beispiel mit dem Nachmieter oder dem Management eines Einkaufszentrums gesprochen hat. Bei 92 weiteren chinesischen Verkaufsstellen vermutet Quintessential darüber hinaus, dass sie ebenfalls geschlossen wurden, da dort niemand erreicht werden konnte und auch im Internet keine Hinweise gefunden wurden. Für China hat man außerdem 11 Verkaufsstellen doppelt gefunden, so dass von 240 angegebenen im worst case nur 64 verbleiben.

Das Unternehmen hat inzwischen eine Liste von 587 Verkaufsstellen veröffentlicht, die aktuell sein soll. 2016 also zum Zeitpunkt des Geschäftsberichts, den Quintessential verwendet hat, sollen es 634 gewesen sein.

Meiner Meinung nach macht das Unternehmen an dieser Stelle definitiv keinen guten Eindruck. Möglicherweise überschätzt Quintessential das Thema aber auch, weil Folli Follie schon deutlich macht, dass es sich häufig um Shop in Shop Konzepte handelt und da dürfte es leicht zu einem falschen Urteil gekommen sein, weil man in einem Kaufhaus keinen Zuständigen für Folli Follie ans Telefon bekommen hat oder ein Center Manager nichts von diesem Shop in Shop Untermieter wusste. Andererseits gab es bei den aktiven Shops wohl auch öfter das feed-back man wäre nur noch beim Abverkauf der letzten Ware und würde Folli Follie dann auslisten. Aus der Ferne wirklich schwierig zu beurteilen.

2. Online Präsenz lässt deutlich geringere Umsätze vermuten

Als nächste Plausibilisierung führt Quintessential an, dass die Online Präsenz für die behaupteten Umsätze im Vergleich zu den Wettbewerbern viel zu gering ist. Sowohl die Seitenbesuche als auch die Follower auf Facebook und Instagram sollen beweisen, dass die Umsätze unglaubwürdig hoch sind.

In seiner Antwort verweist das Unternehmen darauf, dass Facebook und Instagram in China offiziell verboten und nur über Umwege erreichbar sind. Auf der chinesischen Seite Weibo ergibt sich dann ein positiveres Bild . Außerdem gibt es das Unternehmen an viel über elektronische Marktplätze zu verkaufen, die mit dem Ansatz von Quintessential nicht erfasst werden.

Ich kann es letztlich nicht beurteilen, aber die Argumentation vom Unternehmen erscheint mir glaubwürdig oder zumindest plausibel.

3. Externe Quellen bestätigen negative Einschätzung

Quintessential hat auch mit früheren Mitarbeitern, Betreibern von Einkaufszentren und Wettbewerbern gesprochen. Die angeführten anonymisierten Zitate sind, wie zu erwarten war, durchwegs negativ.

Die Frage ist allerdings, ob es auch positive Aussagen gab, die man einfach nicht verwendet hat. Außerdem haben ehemalige Mitarbeiter und Wettbewerber vielleicht auch eine Tendenz eher negativ zu sprechen, während Center Manager möglicherweise strategisch gar nicht relevant sind, wenn man eher auf Shop in Shop und elektronische Marktplätze setzt.

4. hohe Gewinne – negativer Cash Flow

Im Bereich der Finanzen wird natürlich das Thema angesprochen, auf das jeder sofort stößt, wenn er sich Folli Follie näher anschaut und etwas Ahnung von der Materie hat. Die Gewinne scheinen zu sprudeln, aber der freie Cash Flow bleibt seit Jahren negativ. Statt Cash in der Bank gibt es immer weiter steigende Forderungen und Inventare. Sind diese werthaltig oder liegt hier der Hund begraben? Diese Frage habe ich mir schon bei meinem ersten Artikel gestellt und das war auch der Grund, warum ich bisher so wenige Aktien gekauft habe. Wenn etwas faul ist, dann meiner Meinung an dieser Stelle.

5. Diskrepanzen zwischen berichteten Asien Umsätzen und den Umsätzen chinesischer Tochtergesellschaften

Als „smoking gun“ bezeichnet Quintessential, dass die beiden einzigen chinesischen Tochtergesellschaften, die man gefunden hat, nach ihren eigenen chinesischen Reportings Umsätze im zweistelligen Millionenbereich gemacht haben, während es für die Gruppe in China in den Milliardenbereich gehen müsste. Man rechnet auch die Forderungen in Asien auf die bestätigten Verkaufsstellen um. Das Ergebnis sind durchschnittlich EUR 4 Mio. Forderungen, was in Anbetracht der vielen kleinen Shop in Shop Verkaufsstellen als absurd anmutet. Wenn man allerdings riesiges Geschäft mit Alibaba und Co. macht, ist es wiederum die Durchschnittsbetrachtung, die absurd ist. In diese Richtung geht die Antwort des Unternehmen, dass die beiden angeführten chinesischen Tochtergesellschaften nicht für den gesamten chinesischen Umsatz stehen.

6. unbekannte Wirtschaftsprüfer

Bezüglich der Wirtschaftsprüfer kritisiert Quintessential zwei Dinge:

Zum einen wechselte man als Konzernabschluss Prüfer von Baker Tilly zu Ecovis. Jeder Wechsel wird dabei gleich mit dem Verdacht in Verbindung gebracht, dass der alte Prüfer zu viel wirklich prüfen wollte. Ecovis sei außerdem relativ unbekannt. Inzwischen streiten sich die Parteien darüber ob Ecovis weltweit nun die Nummer 18 oder die Nummer 21 ist. Ich habe schnell selber mal recherchiert und bin für 2017 ebenfalls auf den Rank 21 gekommen. Baker Tilly steht in der selben Liste auf Platz 10. Daraus einen Kritikpunkt abzuleiten, sehe ich aber eher als Versuch möglichst viele negative Argumente zusammenzutragen. Das war bei Aurelius im letzten Jahr auch so. Da hatte ich den Vorteil, dass ich mit der kritisierten deutschen WP Gesellschaft selber schon zusammengearbeitet hatte und so wusste, dass die Vorwürfe lächerlich waren. Wahrscheinlich beeinflusst das jetzt auch meine Meinung an dieser Stelle.

Gehaltvoller ist für mich schon der zweite Kritikpunkt im Zusammenhang mit den Wirtschaftsprüfern. Nach den Recherchen wird die Zwischenholding in Hong Kong von einer winzigen Gesellschaft mit nur 2 Partnern geprüft. Auch wenn das kein Vertrauen weckt, können da trotzdem auch legitime, pragmatische Gründe hinterstecken. Während Quintessential davon ausgeht, dass hier sämtliche chinesische Umsätze gebündelt sein müssten, kann es ja sein, dass die Firmen tatsächlich nur für Umsätze im zweistelligen Millionenbereich zuständig sind. Dann wäre es pragmatisch, die Kosten der Prüfung mit einer kleinen Gesellschaft (die nach meiner Erfahrung häufig genauso gut, aber weniger bürokratisch arbeiten wie die Großen) in Grenzen zu halten. Als Reaktion auf die Kritik hat Folli Follie jetzt angekündigt, dass man in Zukunft Ecovis auch mit den Prüfungen in Asien beauftragen wird.

FAZIT

Das perfide an aktivistischen Short Strategien ist, dass bekanntlich immer etwas kleben bleibt, wenn man mit Dreck beworfen wird. Betroffen sind ja in der Regel auch Unternehmen, die auf die eine oder andere Art umstritten sind. Bei Folli Follie ist eindeutig nicht alles rosig und der permanent negative Cash Flow stimmt auch mich skeptisch. Aber sind da wirklich Betrüger am Werk? Irgendwie überzeugen mich die Argumente von Quintessential in dieser Hinsicht nicht so ganz. Für mich ist es jedenfalls plausibler, dass die Shopfinder schlampig gepflegt wurden und vielleicht für die Optik bewusst die eine oder andere Verkaufsstelle zu viel angeben. Das wäre für mich eine lässliche Sünde.

Die Konzernstruktur in Asien kann ich für mich nicht plausibilisieren. Quintessential geht entsprechend ihren eigenen Zielen vom schlimmsten aus und es ist auf jeden Fall schlecht, dass Folli Follie in der ersten Reaktion nicht umfassender geantwortet hat.

Abschreckend ist auch, dass Folli Follie erst bis Ende April gebraucht hat, um Zahlen für 2017 vorzulegen und bis heute immer noch keinen vollständigen Geschäftsbericht veröffentlicht. Inzwischen wurde gemeldet, dass eine Big 4 Gesellschaft beauftragt wird, den gesamten 2017‘er Konzernabschluss nochmals zu prüfen. Das kann sicherlich dauern und ich bin gespannt, was dabei herauskommt.

Das Unternehmen hat heute außerdem ein Aktienrückkaufprogramm angekündigt. Genau das richtige, wenn man an die eigenen Zahlen glaubt oder ein verzweifelter Versucht die eigene Glaubwürdigkeit wieder herzustellen. Wenn einmal Zweifel gesäht sind, kann man wirklich fast alles auch ins negative drehen.

Letztlich überzeugen mich derzeit beide Seiten nicht so richtig. Ich werde die paar Aktien, die ich habe deshalb erst mal behalten und versuchen die Entwicklungen im Auge zu behalten. Vielleicht setze auch noch etwas Spielgeld darauf, dass die Vorwürfe übertrieben sind. Man sollte aber meiner Meinung nach hier kein Geld investieren, das weh tut, wenn man es verliert.

10 Gedanken zu „Folli Follie – Betrugsfall?

  1. Michael C. Kissig

    Sehr interessanter, erhellender Artikel. Ich wünsche Dir viel Erfolg – eher Glück – mit Deiner Position. Vielleicht stellt sich alles wirklich nur als haltlose Short-Attacke heraus.

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  4. Christian

    Super Artikel. Bin mit meiner Position leider auch böse ins Minus gerutscht. Seit der Ankündigung des Aktienrückkaufs gehts allerdings wieder etwas nach oben (Derzeit über 9 €). Bleibt nur zu hoffen, dass an den Behauptungen nicht allzuviel dran ist, aber das werden wir ja noch erfahren.

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  6. benny

    Würde mir eher die Anleihen anschauen. Anleihen mit 3 Jahren Restlaufzeit (2021) und 4% Kupon stehen irgendwo bei 70%.

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    1. Value Mario Beitragsautor

      Interessanter Vorschlag, habe ich auch kurz drüber nachgedacht, aber während ich bei den Offshore Drillern gerne auf Anleihen setze, bin ich hier der Meinung, dass die Anleihe keine wesentliche zusätzliche Sicherheit bringt. Wenn sich die Forderungen und das Inventar zumindest zu großen Teilen als nicht als werthaltig herausstellen, dürfte die Anleihe in meinen Augen auch nicht sicher bedient werden. Der Cash Flow ist negativ, der Cash Bestand nicht gerade hoch und die Reputation ruiniert, wenn sich das alles bestätigt. Wenn sich hingegen herausstellt, dass das alles nur eine short Attacke auf ein nicht optimal geführtes und schlecht kommunizierendes Unternehmen war, dann begrenzt man seine Rendite Chancen mit der Anleihe unnötig.

      In diesem Fall bin ich deshalb der Meinung, entweder die Aktie oder gar nichts. Ich schwanke übrigens immer noch zwischen nachkaufen und verkaufen. Ich tendiere eher zu dem Eindruck, dass ein nicht optimal geführtes Unternehmen attackiert wird, aber bevor ich nachkaufe, setzt wieder die Erkenntnis ein, dass ich es leider nicht beurteilen kann, weil man bei Betrugsvorwürfen dem Material des Unternehmens nicht trauen darf. Ich habe aber nicht die Kapazitäten für eigene Recherchen. Bleibt mir wohl nur abzuwarten, bis EY was zu dem Thema schreibt.

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  8. Hubert Vossmann

    sehr interessanter Artikel – leider zu spekulativ für meine Kundschaft – aber ich behalte den Kursverlauf im Auge !!!

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