ISIN: IT0004093263
aktueller Kurs: 3,08 Euro
Meine unregelmäßige Reihe über italienische Aktien ist in letzter Zeit etwas in Stocken geraten, weil ich ziemlich voll investiert war und mich nicht aufraffen konnte mir unbekannte Unternehmen anzuschauen, wenn ich eh keine nennenswerte freie Liquidität habe. Sukzessive werden bei mir nun aber Festgelder frei, die ich aufgrund der gesunkenen Zinsen nicht verlängern werde. Diesen Monat habe ich deshalb meine Liste italienischer Aktien, die zu mir passen könnten, wieder hervorgeholt und bin auf Ascopiave gestoßen.
Italgas hatte ich hier schon vor zwei Jahren kurz vorgestellt. Mir war damals der Kurs von 5,36 zu hoch, weil das einem KBV von 1,8 entsprach. Nun ja, heute notiert der Kurs bei 7,16 und eine Dividendenrendite von 6% wäre auch noch dazugekommen. Hinterher ist man immer schlauer aber ich bleibe dabei, dass ich Sachwert orientierte und noch weniger stark staatlich regulierte Unternehmen nicht wesentlich über dem Buchwert kaufe. Hier kommt nun Ascopiave ins Spiel. Während Italgas das italienische Übertragungsnetz für Gas monopolistisch betreibt, gibt es auf lokaler Ebene verschiedene Unternehmen, die die Lieferung bis zum Endkunden übernehmen. Nach Italgas ist Ascopiave eines der führenden Unternehmen in diesem Bereich und deren Aktie notiert unter dem Buchwert und ist deshalb für mich investierbar. Ich habe mir Ascopiave deshalb etwas genauer angeschaut.
Ascopiave Eigentümerstruktur
Die Eigentümerstruktur von Ascopiave erinnert mich etwas an RWE. Über eine gemeinsame Gesellschaft halten 77 italienische Kommunen mit rund 52% die Mehrheit der Aktien. Der Streubesitz beläuft sich nur auf etwa 36%.
In meinen Augen haben die Kommunen als Ankerinvestor Vor- und Nachteile. Vorteilhaft ist aus meiner Sicht, dass die Kommunen vermutlich, wie ich, auf kontinuierliche Dividenden aus sind und außerdem in Vergabeverfahren ihre Möglichkeiten nutzen werden, um Ascopiave zum Erfolg zu verhelfen. Negativ könnte es sein, wenn das Unternehmen aus politischen Gründen zu Entscheidungen gedrängt würde, die es sonst nicht treffen würde.
Ascopiave Geschäftsbereiche
Der Betrieb lokaler Gasnetzwerke ist der wichtigste, aber nicht der einzige Geschäftsbereich von Ascopiave. Insgesamt gibt es drei wesentliche Geschäftsbereiche:
1) lokale Gasnetzwerke
Die Gasnetze von Ascopiave befinden sich alle im wirtschaftlich starken Norditalien. Schwerpunkt und auch Firmensitz ist mit 73% Venetien gefolgt von der Lombardei mit 17% und Friaul mit 5%. Die restliche 5% verteilen sich auf andere Regionen z.B. im Piemont.
Im lokalen Gasmarkt Italiens findet eine starke Konsolidierung statt. Seit dem Jahr 2000, in dem der Gasmarkt aufgrund von EU Regeln liberalisiert wurde, hat Ascopiave 13 Übernahmen abgeschlossen und so die Anzahl der versorgten Endverbraucher von 127.000 auf 871.000 im Jahr 2024 gesteigert. Damit war Ascopiave 2024 Marktführer in Venetien und insgesamt Nummer 5 in Italien. Aktuell geht die Konsolidierung noch weiter. Die oben angesprochene Italgas ist auch bei den lokalen Netzen der Marktführer und hat im April 2025 die Übernahme der zweitgrößten Gesellschaft 2i Rete Gas abgeschlossen. Italgas hat damit sowohl was die Netzwerk-Kilometer als auch die Endverbraucher angeht einen Marktanteil von über 50%. Ascopiave selbst ist im Prozess Pipelines in Norditalien von der bisherigen Nummer 3 ASA zu übernehmen und so selber zur neuen Nummer zwei aufzusteigen. Allerdings mit immer noch einstelligen Marktanteilen und somit weitem Abstand zu Italgas.
Nach der Übernahme werden Venetien und die Lombardei jeweils einen Anteil von 47% haben.
2) Wasserversorgung
In der Provinz Bergamo hält Ascopiave eine 18%‘ige Minderheitsbeteiligung an einem regionalen Wasserversorger. Die anderen Gesellschafter sind mit 14% die Provinz Bergamo und die restlichen rund 68% verteilen sich auf 17 Städte und Gemeinden.
Mit etwa 100.000 versorgten Kunden ist der Bereich Wasser wesentlicher kleiner als der Bereich Gas mit zukünftig rund 1,4 Mio. Endverbrauchern.
3) erneuerbare Energie
Im Jahr 2021 ist Ascopiave auch in die Produktion von erneuerbarer Energie eingestiegen. Zunächst mit dem Kauf von 6 Wasserkraftwerken in Norditalien und seit 2022 auch mit Windparks in Süditalien. Mit einer installierten Leistung von 84 MW und einem EBITDA von 18,8 Mio. im Jahr 2024 spielt die erneuerbare Energie aber eine untergeordnete Rolle. Zum Vergleich nach der Übernahme wird das EBITDA im Gas Bereich bei rund 140 Mio. Euro erwartet.
4) Vertrieb Gas- und Strom
Bisher gab es mit einem Joint Venture für den Vertrieb von Strom und Gas noch einen vierten Geschäftsbereich. Die Expansion im Gasnetz wird aber unter anderem durch die Ausübung einer Verkaufsoption für dieses Joint-Venture finanziert. Hierfür erlöst Ascopiave 234 Mio. was die A2A Übernahme in etwa zu Hälfte deckt. Die andere Hälfte wird durch Darlehen finanziert. Dieser Geschäftsbereich wird dadurch nach meinem Verständnis aufgegeben.
Vergütungsstruktur lokaler Gasmarkt in Italien
Das Monopol für die lokale Gasinfrastruktur wird in Konzessionen vergeben und die Vergütung staatlich reguliert. Die Vergabe der Konzessionen erfolgt seit 2007 in Ausschreibungen für 177 Gebiete in Italien. Monopole mit begrenzter Laufzeit beinhalten immer das Risiko, dass Investitionen nicht erfolgen, weil sie am Ende der Laufzeit verloren sein könnten. Um dies zu verhindern, sieht die Regulierung in Italien aber vor, dass ein neuer Betreiber dem alten noch nicht abgeschriebene Investitionen ersetzen muss. Ich kann allerdings nicht behaupten, dass ich die Vergabe der Konzessionen, die Laufzeiten oder die Berechnung der Entschädigung am Ende im Detail verstanden habe. Es bleibt also eine Komponente der Hoffnung, dass ein etabliertes Unternehmen mit lokalen Gesellschaftern das System schon so handhaben wird, dass keine großen Probleme auftreten werden
Ascopiave Rentabilität und Finanzierung
Trotz der Übernahmen ist Ascopiave für einen Versorger üppig mit Eigenkapital ausgestattet. Die Eigenkapitalquote ist von 72% im Jahr 2020 nur leicht auf 68% im Jahr 2024 zurückgegangen.
Diese Stabilität spiegelt sich auch in den Dividenden. Mit nur einer Ausnahme im Jahr 2011 (Euro Finanzkrise) hat Ascopiave seit 2006 immer eine Dividende von mindestens 8,5 Cent pro Aktie gezahlt. Bezogen auf den aktuellen Kurs wären das 2,8%. Aktuell sieht es noch deutlich attraktiver aus, denn die Dividende für 2024 lag mit 15 Cent fast doppelt so hoch und die Dividendenrendite entsprechend bei 5%. Die Ausschüttungsquote liegt regelmäßig zwischen 75% und 94% und teilweise auch über 100%. Letzteres zeigt das Bemühen um eine kontinuierliche Dividendenausschüttung aber auch das Risiko, dass es zu Kürzungen kommen könnte, sollte sich substanziell etwas verschlechtern. Einen großen Puffer gibt es hier nicht. Das Management geht allerdings nicht von Schwierigkeiten sondern von weiter steigenden Dividenden aus. Bis zum Jahr 2028 soll die Dividende nach der aktuellen Prognose auf 19 Cent pro Aktie steigen, das wäre dann eine Dividendenrendite von 6,3%.
Wie bereits in der Einleitung erwähnt ist für mich bei Sachwert Unternehmen und besonders bei staatlich regulierten Unternehmen auch das KBV nicht unerheblich. Ein sehr hohes KBV deutet für mich darauf hin, dass künftige Konkurrenz angezogen werden könnte bzw. der staatliche Regulierer die Vergütung senkt. Ascopiave wird an der Börse allerdings mit einem KBV von 0,8 sogar unter dem Buchwert gehandelt.
Klimawandel
Ein nicht unmittelbarer aber dafür potentiell wesentlicher Risikofaktor für Ascopiave ist der Klimawandel bzw. der Kampf gegen den Klimawandel, der Gasinfrastruktur obsolet werden lassen könnte. Ich persönlich gehe allerdings weiterhin davon aus, dass die Nutzung von Erdgas so schnell nicht Richtung Null gehen wird. Zumindest ein Teil der Netze könnte vielleicht auch für eine Wasserstoff-Wirtschaft ertüchtigt werden. Das muss nicht stimmen, deshalb sollte sich jeder, der über die Aktie nachdenkt, über dieses wie auch die operativen und regulatorischen Risiken selber nachdenken.
FAZIT
Infrastruktur Investments gefallen mir, wenn die Börsenkapitalisierung nicht zu sehr vom Wert / Buchwert abweicht. Solche Investments waren bei den niedrigen Zinsen in den letzten Jahren schwer zu finden. Ascopiave ist aber für mich so ein Fall.
Was ich allerdings (noch) nicht beurteilen kann, ist der Grund dafür warum die Börse Ascopiave so niedrig bewertet. Ein Grund könnte die relativ niedrige Börsenkapitalisierung von 650 Mio. Euro sein und die damit niedrige Aufmerksamkeit großer institutioneller Investoren. Ich kann aber auch nicht ausschließen, dass es Risiken gibt, die ich aktuell nicht überblicke z.B. im Zusammen mit der Vergabe der Konzessionen.
Wenn es keine großen Unbekannten gäbe, würde die Aktie für mich einen relativ große Position rechtfertigen. Mit den genannten Unbekannten, habe ich mich aber entschieden erst mal mit einer Einstiegsposition zu beginnen. Bei günstigen Gelegenheiten oder wenn ich mit den Entwicklungen vertrauter bin, würde ich dann gerne noch mal aufstocken.