aktueller Kurs: 47 USD
Über Aercap habe ich zuletzt im Dezember 2013 geschrieben. Damals war verkündet worden, dass Aercap seinen viel größeren Konkurrenten ILFC übernimmt. Mit dem Q2 Bericht war es letzte Woche endlich soweit, dass konsolidierte Zahlen nach der vollzogenen Übernahme vorlagen. Finanziell hat sich die Wartezeit gelohnt. Im Dezember 2013 stand der Kurs noch bei etwa 32 USD und heute sind es 47. Nun ist es an der Zeit mal wieder zu plausibilisieren, ob die Bewertung gerechtfertigt ist oder nicht.
Gewinn und Bilanz
Der um die Merger-Kosten bereinigte Gewinn hat sich sich im Vergleich zum Vorjahresquartal auf USD 1,29 pro Aktie mehr als verdoppelt (+118%). Multipliziere ich diesen Quartalsgewinn einfach mit 4 ergibt sich ein KGV von etwas über 9 und dort liegt auch das 2015’er KGV, dass man bei Yahoo Finance findet. Einstellige KGV kommen zwar bei Leasinggesellschaften durchaus vor, aber trotzdem erscheint mir ein KGV von 9 bei einem Marktführer und in der heutigen Zinslandschaft zu niedrig. Mindestens ein KGV von 12 erscheint mir eher angemessen. Danach ergäbe sich sogar noch weiteres Potential für die Aktie bis in die Region von USD 60.
Ein Teil der Gewinnverbesserung stammt aus der Erhöhung der Fremdkapitalquote, die nun auf Basis der offiziellen Bilanz 83% beträgt, während es vor der Übernahme um die 75% waren. Das erhöht natürlich operativ das Risiko. Allerdings ist das Management bestrebt mittelfristig das alte Niveau wieder herzustellen.
Substanzbewertung
Neben den Risiken für das Unternehmen wird auch die Bewertung der Aktie über den Wert der Flotte mit höherem Fremdkapital riskanter, denn eine gegebene Abweichung im Wert der Flotte hat mit höherem Leverage natürlich einen überproportional höheren Einfluss auf den Wert des Eigenkapitals. Verkomplizierend kommt hinzu, dass die Buchwerte in der Bilanz für die Flugzeuge nun nicht mehr ausschließlich auf den historischen Kosten basieren. Die ILFC Flugzeuge sind von Aercap zum Übernahmezeitpunkt auf Basis von Gutachten bewertet worden. Sowohl der Buchwert in der Bilanz von ILFC als auch der Durchschnittswert von 5 Gutachtern belief sich auf USD 32 Mrd. Trotzdem hat Aercap die Flugzeuge nur mit USD 28 Mrd. in die eigene Bilanz übernommen (Quelle: Mitschrift vom Q2 Analysten Call). Das ist für mich insofern überraschend, dass ILFC im Ruf steht, zu absoluten Top Konditionen einzukaufen, deren Buchwerte dürften im Vergleich zum Marktwert also eher konservativ sein. Ich vermute, dass Aercap kein Badwill ausweisen wollte und die Flotte deshalb nur so hoch bewertet hat, wie notwendig, um den Preis der Übernahme zu reflektieren.
Andererseits verstehe ich dann nicht, warum eine sehr spezielle neue Position in der Bilanz aufgenommen wurde. Es handelt sich um sogenannte Maintenance Rights, als immaterielles Vermögen. Flugzeuge befinden sich nicht zu jedem Zeitpunkt in dem Wartungszustand, in dem sie sich vertraglich befinden müssen, wenn das Flugzeug zurückgegeben wird. Der Wert der durch die größeren Instandhaltungsmaßnahmen auf Kosten der Leasingnehmer geschaffen werden wird, wurde in dieser Position abgebildet und nun über die Laufzeit der übernommenen Leasingverträge abgeschrieben. Hierbei handelt es sich um eine Position in Höhe von USD 4,3 Mrd. Da es vielleicht zufällig praktisch der gleiche Betrag ist, um den die Flotte abgewertet wurde, verstehe ich nicht ganz, warum man es sich nicht einfacher gemacht hat. Ich habe erst dazu tendiert, diese Position herauszurechnen, wie ich es mit einigen anderen traditionell auch mache. Auch wenn ich den Gedankengang absolut nachvollziehen kann, zahlt so etwas nach meiner Erfahrung keiner, wenn er ein gebrauchtes Flugzeug kauft. Andererseits ist der Gedanke das zu berücksichtigen m.E. grundsätzlich schon richtig, denn man hat am Ende ein Flugzeug in besserem Zustand. Da ich hier nicht davon ausgehe, dass Aercap tatsächlich in seine Einzelteile zerschlagen wird, habe ich mich entschieden diesen Betrag doch anzusetzen.
Trotzdem komme ich, mit mit meinen üblichen Korrekturpositionen, nur auf einen Wert von etwa USD 26. Selbst ganz ohne Korrekturen liegt der Buchwert pro Aktie nur bei USD 34 und das KBV damit bei 1,4. Erst wenn ich die oben erwähnte Abschreibung auf den ILFC Buchwert von USD 4 Mrd. wieder rückgängig mache, erhalte ich einen Wert pro Aktie von USD 44,50. Der aktuelle Kurs liegt um 5% höher und das würde wieder dem Schema entsprechen, dass die Aktie meistens etwas höher notiert als ich errechne. Habe ich jetzt so lange auf das Ziel hingerechnet bis der aktuelle Kurs plausibel ist oder ist das wirklich gerechtfertigt?
Ich denke letzteres ist wahrscheinlich der Fall. Einerseits würde ich die Maintenance Rights gerne ignorieren, aber andererseits gibt es noch einen positiven Faktor, der überhaupt noch nicht berücksichtigt wurde. Aercap hat jetzt eine Pipeline von 350 bestellten Flugzeugen. Wie erwähnt kaufte ILFC aufgrund seiner Größe zu absolut günstigen Konditionen ein. Da die Bilanz nur die bisher geleisteten Anzahlungen nominal abbildet, sind die hierin steckenden stillen Reserven noch gar nicht berücksichtigt. Um die Maintenance Rights zu kompensieren, müssten die stillen Reserven bei rund USD 12 Mio. pro Flugzeug liegen. Ich weiß nicht wirklich, ob das realistisch ist, aber gefühlsmäßig halte ich es nicht für abwegig.
FAZIT
Ich halte Aercap nach wie vor für ein gutes Unternehmen und die Übernahme von ILFC war eine der wenigen großen Übernahmen, bei der ich davon überzeugt bin, dass sie den Übernehmer tatsächlich weiterbringt.
Die Bewertung der Aktie ist für mich durch die ILFC Übernahme allerdings, wie oben dargelegt, schwieriger geworden. Ich habe mich deshalb entschlossen noch mal Aktien zu verkaufen, so dass ich meinen ursprünglichen Einsatz komplett wieder raus habe. Ich weiß, dass es nicht übermäßig rational ist zwischen ursprünglichem Kapital und bereits aufgelaufenen Gewinnen auf diese Art zu unterscheiden, aber ich fühle mich trotzdem wohler, wenn ich weiß, dass es nur noch darum geht wie hoch der Gewinn am Ende ausfällt.
Ich plane trotz des Verkaufs langfristig an Aercap beteiligt zu bleiben und werde den verbleibenden Bestand dann erstmal laufen lassen.
Value Mario,
Dank für diese Aktualisierung.
Mit Flugzeugen kenne ich mich nicht aus. Zur Zeit scheint es eine große Nachfrage nach neuen Flugzeugen zu geben und die vorhandenen ausreichend genutzt zu werden. Daher vermute ich, daß die Buchwerte und stille Reserven wie über die Anzahlung von Bestellungen hinausgehende Werte dieser Rechte auf Lieferung jetzt zu erzielen wären. Sollte aus firmenspezifischen Gründen ein Verkauf von Flugzeugen notwendig werden, wäre dieser selbst bei der geringen Eigenkapitalquote von Aercap vielleicht mit geringen oder ohne Abschläge zu den berechneten Werten möglich.
Die Entwicklung von Aercap hängt von der künftigen Auslastung der Airlines ab. Im Gegensatz zu anderen Bereichen ist der Luftverkehrsmarkt sehr volatil. Meiner Meinung nach sollte man über eine Investition in Aercap weniger nach den Bilanzwerten, sondern aufgrund der eigenen Einschätzung der Auslastung von Fluggesellschaften in den nächsten Jahren entscheiden.
Ob Aercap mit dem geringen Eigenkapital eine Depression überstehen würde, weiß ich nicht.
Milud
Hallo Milud,
bei der Volatilität der Luftfahrt muss man etwas aufpassen. Die Ergebnisse einzelner Airlines sind wesentlich volatiler als die Entwicklung der Luftfahrt insgesamt. Klar, z.B. nach den Anschlägen am 11. September gab es insgesamt einen Rückgang, aber das ist die Ausnahme, während starke Schwankungen bei einzelnen Fluggesellschaften normal sind. Es ist verhältnismäßig einfach eine Fluggesellschaft zu gründen und viele Länder betrachten gute Flugverbindungen als strategisch und subventionieren daher heimische Airlines oder betreiben sie gleich selbst. Deshalb ist es sehr schwer mit einer Airline Geld zu verdienen, aber alle Airlines brauchen Flugzeuge. Deshalb konzentriere ich mich beim Thema Flugzeuge auch auf die Leasinggesellschaften und lasse die Finger von Fluggesellschaften. Historisch betrachtet haben, die ersteren deutlich mehr Geld verdient. Trotzdem ist nicht alles rosig. Innerhalb der Branche wird diskutiert, ob es eine Blase an Bestellungen gibt (wenn dem so ist, hat die Pipeline von Aercap natürlich auch keine stille Reserven) und eine neue globale Krise würde an den Leasinggesellschaften natürlich auch nicht spurlos vorüber gehen.
Deswegen nehme ich ja kurzfristig Geld vom Tisch, auch wenn ich langfristig bullish für die Branche bleibe.
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