Ich bekomme täglich diverse Pressemitteilungen. Manches lösche ich ungelesen, vieles lösche ich nach dem Lesen und sehr selten schreibe ich auch mal drüber oder nehme sie als Anlass für weitere Recherchen. Am Donnerstag habe ich eine Pressemitteilung der Hamburger Privatbank Sutor Bank bekommen. Die Überschrift der Pressemitteilung „Sutor Bank Analyse: Keine Panik bei Kursrückgängen – wer hektisch aussteigt halbiert Rendite“ war mir auf den ersten Blick zu reizerisch, weshalb ich sie nach dem lesen gelöscht habe. Trotzdem steckt etwas interessantes drin, das ich auch woanders schon mal gelesen habe. Deshalb habe ich die Pressemitteilung noch mal aus dem virtuellen Papierkorb geholt und nehme das Thema hier kurz auf. Es geht darum, dass wenige Börsentage die Performance eines sehr langen Zeitraums treiben.
Halbe Rendite wenn die 15 besten Börsentage fehlen
Die Sutor Bank hat die Entwicklung des gesamten DAX seit Auflegung 1987 ausgewertet. In diesem Zeitraum belief sich die Performance auf 8,3% pro Jahr. War man hingegen während der gesamten Zeit mit Ausnahme der 15 besten Tage investiert, reduziert sich die Performance auf 4,1% pro Jahr, also praktisch die Hälfte. Die folgende Grafik aus der Pressemitteilung zeigt sehr schön den Unterschied:
Die besten Tage treten in aller Regel auf, nachdem es vorher dramatisch abwärts gegangen ist. 4 der besten 5 Tage im DAX waren z.B. im vierten Quartal 2008 und hatten Tagesanstiege von 7,6% bis 11,4%. Für den S&P 500 zeigt die Sutor Bank ähnliche Ergebnisse.
Nach starken Kursrückgängen gilt also:
FAZIT
Ich habe die Pressemitteilung erst so gelesen, dass sie ein Pläydoyer gegen Markt Timing im Allgemeinen ist. Wenn man genau liest, wendet sich die Nachricht aber gegen panische Verkäufe nach dem ein Kurseinbruch schon passiert ist. In der ex-post Auswertung ist das eindeutig. Jetzt ist nur noch die Kunst zu wissen, welcher Kurseinbruch das Ende vom Anfang und welcher der Anfang vom Ende war ;-) Denn eins ist auch klar, wenn man vor einem deutlichen Kurseinbruch aussteigt, kann man ruhig auch die erste Erholung verpassen, bevor man wieder einsteigt.
Ich finde die Auswertung interessant, werde für mich persönlich aber nichts ändern. Da Timing für mich erfahrungsgemäß Glückssache ist, werde ich weiter sukzessive ein- und aussteigen und mein Timing damit relativieren.
Gerade bei Nebenwerten fällt dies extrem auf und ins Gewicht, wenn man die wenigen wirklich herausragenden Tag des Jahres nicht investiert ist, bleibt der Großteil der Jahresperformance auf der Strecke. Ein (weiterer) Grund, sich nicht am Market-Timing zu versuchen.
„Am wichtigsten ist, dass man die richtigen Aktien hat, wenn der Markt steigt. Der größte Teil der Investmenterträge fällt in kurzen Zeiträumen an und es ist so gut wie unmöglich, diese vorherzusagen und Aktienkäufe danach auszurichten.“
(Christopher H. Browne)
Diese einseitigen Analysen gab es schon vor 20 Jahren. Interessanter wird es allenfalls, wenn man nicht nur untersucht, was das „auslassen“ der besten Tage kostet, sondern auch was das „auslassen“ der schlechtesten Tage bring (Tipp: mehr) oder was, wenn man die besten und schelchtesten Tage verpasst. Praktischer Nutzen allerdings leider gegen Null, da sich beides nicht sicher prognistizieren lässt.
Ich sehe das ähnlich und war vor dem Artikel sogar kurz davor die Suter Bank zu fragen, ob sie auch schon mal ausgewertet haben, was es bringt die schlechtesten Tage zu vermeiden. Dann ist mir aber bewusst geworden, dass die das Thema so aufgegriffen haben, dass es darum geht, nicht in Panik zu verfallen, wenn die Kurse schon gefallen sind. Das schlimmste für die Performance ist sicherlich kurz vor dem Tief zu verkaufen und dann erst spät in der neuen Hausse wieder einzusteigen. Dann lieber konsequent investiert bleiben.
Für mich ist dieses Thema ein Grund warum ich lieber in Einzelwerte investiere und nicht so sehr in breite Märkte. Da kann ich mir zum Unternehmen und zur Bewertung eine Meinung bilden. Je nachdem fälle ich dann Entscheidungen ohne direkt Marktbewegungen antizipieren zu müssen.
Da muss ich aber echt schmunzeln, wie vermeidet man denn die schlechtesten Tage des Jahres? Gibt es Geheimrezept, wie man die herausfindet? Ich meine vorher, nicht in der Nachschau?
Man kann die schlechtesten Tage des Jahres nur vermeiden, indem man nicht investiert. Und an den besten Tage des Jahres kann man dabei sein, indem man ständig investiert ist. Buy & Hold eben. Und dass das sinnvoll ist, zeigt die Erfahrung. Im 20. Jahrhundert stieg der Dow Jones Index von 66 auf 11.497 Punkte an. Trotz aller Krisen, Crashs, Weltkriege, Atombombenabwürfe, Terroranschläge.
In welche Richtung es als nächstes geht, kann man kurzfristig kaum und vielleicht auch gar nicht wissen, deshalb gibt es m.E. auch kein Geheimrezept die schlechtesten Tage zu vermeiden. Genauso wie es kein Geheimrezpept gibt, nur die guten Tage zu erwischen, aber Bewertungen sind mal hoch und mal niedrig. Aus meiner Sicht erhöht man die Chance auf die guten Tage, wenn man zu niedrigen Bewertungen kauft und reduziert das Risiko der schlechten Tage, wenn man bei hohen Bewertungen nicht mehr dabei ist. Die Frage ist aber tatsächlich wie viel man verpasst, wenn man wegen hoher Bewertungen nicht mehr dabei ist. Ich fand z.B. die Bewertungen am Neuen Markt schon nach wenigen Monaten absurd hoch und war dort nie investiert. Danach ging es noch Jahre weiter. Wäre ich investiert gewesen und hätte einen guten Exit gefunden, hätte ich eine super Rendite gehabt. Wäre ich allerdings in guten wie in schlechten Tagen investiert geblieben, hätte ich das meiste Geld am Ende verloren. Kann mich noch gut an einen Freund erinnern, der irgendwann überlegte, ob er alles verkaufen sollte, weil er aus einem überschaubaren Betrag den Gegenwert eines Porsche 911 gemacht hatte. Den Wagen hat er nicht gekauft und am Ende ist er mit einem blauen Auge aus dem Markt gegangen.
Die Pressemitteilung basiert auf der nachvollziehbaren These, dass man nach einem Kurssturz drin bleiben sollte, weil da vermehrt die besten Tage überhaupt auftreten. Für mich ist ebenso nachvollziehbar, dass nach einem langen Anstieg, der zu historisch hohen Bewertungen führt, vermehrt die schlechtesten Tage überhaupt auftreten. Ich schaue mir nur noch Einzelwerte an, bei denen ich mir eine Meinung über den fairen Wert bilden kann. Wenn ich ein Unternehmen vom Geschäftsmodell und Management gut finde, aber den Preis inzwischen zu hoch, dann fange ich an zu verkaufen. Nicht alles auf einmal, denn man weiß ja nie, zu wie viel Übertreibung (aus meiner Sicht) der Markt noch neigen wird. Genauso handele ich beim Einstieg, nie alles auf einmal, denn der Markt könnte mir die Aktien ja noch günstiger anbieten. Wäre ich stets zu 100% investiert, um die besten Tage nich zu verpassen, könnte ich nicht mehr nachkaufen. Dafür verpasse ich zugegenermaßen Performance, wenn ich irgendwann komplett verkauft habe und der Kurs weiter steigt.
Wäre ich ein passiver Indexfonds Investor würde ich etwas mehr zu Buy&Hold tendieren, denn für dem Gesamtmarkt finde ich es ungleich schwieriger eine Meinung zu haben, wie hoch eine angemessene Bewertung ist.
Ich freue mich über die interessante Diskussion. Darauf habe ich gehofft als ich das Stück geschrieben habe. Es gibt in meinen Augen gute Argumente für beide Seiten.
Die Sutor-Bank hat eigene Fondsprodukte, insofern ist es nicht überraschend, dass sie einen Artikel gegen Panik bzw. Ausstieg nach fallenden Kursen schreibt. Während der Krise in 2008 haben Anleger, die 100% oder eine hohe Quote in aktiv gemanagten Fonds investiert waren, fast doppelt so häufig wie Einzelaktien-Investoren den Markt verlassen, das heißt, ihre Investition beendet (Quelle: Dorn/Weber, SSRN-2705435) und dazu habe ich ja auf meiner Webseite einen Artikel geschrieben (http://www.covacoro.de/2016/02/06/der-blick-in-den-r%C3%BCck-spiegel-1/)
Einzel-Aktienanleger und v.a. value-orientierte Anleger sind hier weniger gefährdet und haben einen deutlich langfristigeren Anlagehorizont. Dein eigener vorheriger Artikel zum Frühjahrsputz im Altbestand, paßt übrigens auch sehr gut hierzu.
Grüße Covacoro
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