Vor fast genau vier Monaten habe ich mir schon mal Gedanken gemacht, ob der Boden für Offshore Driller erreicht ist. Fundamental gab und gibt es durchaus einige positive Anzeichen, aber damals waren mir die Bewertungen schon zu weit weg gelaufen, so dass ich nicht investiert habe. Das war durchaus keine schlechte Entscheidung, wie beispielsweise der Chart von Transocean zeigt:
Obwohl die Kurse wieder gesunken sind finde ich immer mehr Hinweise und Fakten, die für eine mittelfristige Erholung sprechen. Ich war zum Beispiel im Februar auf einer Öl und Energie Konferenz von S&P Global Platts. Meine fast schon wichtigste Erkenntnis dort war, dass man als Amateur demütig gegenüber den eigenen Kenntnissen bleiben muss, denn dort wurden Ölmarkt Themen in einer Detailtiefe diskutiert, deren Implikationen ich kaum noch nachvollziehen konnte. Vielleicht muss man auch nicht jedes Detail verstehen, wenn man mittel- bis langfristig denkt, aber es schadet nicht sich seine eigenen Unzulänglichkeiten trotzdem immer mal wieder vor Augen zu führen. Ein paar von den allgemeineren, nützlichen Fakten werde ich im Folgenden mit einfließen lassen.
Ölmarkt
Wenn man sich mit dem Ölmarkt beschäftigt, stößt man auf verschiedene Themen, die einen nachhaltigen Einfluss haben (können), aber leider bekommt man selten eine zahlenmäßige Einordnung. Ein paar Zahlen zu hinlänglich bekannten Faktoren konnte ich jetzt mal zusammentragen.
Die OPEC (& Friends) Produktionskürzungen belaufen sich z.B. auf ca. 1,2 Mio. barrel pro Tag. Das entspricht nur etwas mehr als 1% der weltweiten Förderung und hat doch erheblichen Einfluss auf den Preis. Laut Platts hat die OPEC kurzfristig nur zusätzliche Förderkapazitäten von ca 1,75 Mio. barrel pro Tag. Die freien Kapazitäten sind also nicht sehr viel größer als die aktuelle Quotenkürzung und sie liegen weit überwiegend in Saudi Arabien.
Die Öl Förderung aus Offshore Quellen liegt bei etwas über 28 Mio. barrel pro Tag, was in etwa 30% der weltweiten Förderung entspricht. Ensco hat berichtet, dass der jährliche Produktionsrückgang einer Tiefseebohrung bei 11% pro Jahr liegt und der einer in flachen Gewässern bei 4% pro Jahr. Ich weiß nicht wie sich die weltweite Produktion auf die Wassertiefen verteilt, aber wenn ich vorsichtig von 70% Flachwasser und 30% Tiefsee ausgehe, würde sich die Offshore Produktion um rund 1,7 Mio. barrel pro Tag reduzieren. Das wären ca 1,4x so viel wie die OPEC Kürzungen oder ungefähr das Fördervolumen, dass die OPEC kurzfristig mehr fördern könnte. Da die OPEC kurzfristig nur einmal steigern kann, die Offshore Produktion aber ohne neue Investitionen jedes Jahr sinkt, muss irgendwo zusätzlich investiert werden. Die OPEC im Allgemeinen und Saudi Arabien im Speziellen wären dafür natürlich mögliche Kandidaten, aber die aktuellen Förderkürzungen zeigen, dass man kein Interesse daran hat, so viel zu investieren, dass die Preise sehr tief sinken.
Das dürfte grundsätzlich auch für die Produzenten in den USA gelten, allerdings werden diese nicht zentral gesteuert. Dort versucht jeder seine Förderung und seinen Gewinn für sich zu maximieren, auch wenn das zu einem Überangebot und damit insgesamt niedrigeren Gewinnen führt. Laut BP wurden in den USA im Jahr 2016 allerdings „nur“ 12,4 Mio. barrel pro Tag gefördert und das beinhaltet nicht nur Fracking sondern auch die konventionelle Förderung und Offshore innerhalb der Hoheitsgewässer der USA. Die Fracking Förderung müsste also schätzungsweise jedes Jahr deutlich im zweistelligen Prozentbereich wachsen, um den Rückgang bei Offshore Öl zu kompensieren. Das erscheint mir nicht mehr besonders realistisch, nach dem Platts berichtet hat, dass Fracking, die einzige Förderart ist deren Förderkosten von 2014 bis 2017 gestiegen sind. Mit einem notwendigen Preis von etwas über USD 40 pro barrel, um eine durchschnittliche nach Steuer Rendite von 10% zuerreichen, ist zwar Fracking nach der konventionellen Förderung im Mittleren Osten und Russland immer noch am günstigsten, aber Offshore Öl liegt je nach Region mit etwa USD 45 bis USD 55 nicht sehr weit dahinter. Eine weiter stark steigende Förderung würde den Kostendruck erhöhen und gleichzeitig werden die Möglichkeiten qualitativ immer schlechter, da man sich derzeit auf die besten Lagen konzentriert.
Das beruhte bisher alles nur auf der aktuellen Nachfrage, tatsächlich wächst diese aber momentan jährlich um etwas mehr als 1 Mio. barrel pro Tag. Daran wird sich m.E. auch die Elektroautos so schnell nichts ändern. Laut Platts sorgt der Auto Verkehr derzeit für rund 25% der weltweiten Ölnachfrage und nur 2% aller weltweit verkaufen Autos haben einen Elektroantrieb, das sind weniger als 0,2% aller vorhandenen Autos. Die Verkäufe von Elektroautos können also noch viele Jahr geradezu explodieren bevor sie einen spürbaren Einfluss auf die weltweite Ölnachfrage haben. Wobei mir immer noch keiner erklären konnte, wo die Infrastruktur herkommen soll, um einen wirklich hohen Flottenanteil elektrisch zu betreiben. Bei LKW bin noch skeptischer und bei Schiffen und Flugzeugen kann man eine Elektrifizierung wohl ziemlich ausschließen. Selbst wenn die Nachfrage durch PKW sinkt, würde das also durch eine steigende Nachfrage in anderen Bereich teilweise kompensiert werden.
Insgesamt ist mir zwar bewusst, dass meine Versuche immer noch sehr oberflächlich sind, aber trotzdem ist es für mich jetzt nicht mehr nur gefühlt klar, dass die Öl Nachfrage nicht ohne wesentliche Investitionen in neue Offshore Bohrungen befriedigt werden kann. Dafür spricht auch, dass die Öllagerbestände, die im Zuge des Preisverfalls geradezu explodiert sind, wieder stark gesunken sind. Platts argumentiert sogar, dass sie fast wieder dem Niveau von 2014 entsprechen, wenn man die erhöhte Nachfrage berücksichtigt.
Was ich hier argumentiere, spiegelt sich auch in der Berichterstattung der Offshore Driller wider, die alle neue Aufträge berichtet haben und insgesamt optimistischer in die Zukunft blicken. Für die Nordsee mit ihren harschen Bedingungen ziehen die Charterraten sogar schon wieder deutlich an, weil es für dort kein so großes Überangebot gibt.
Zeit für Aktien?
Auf Basis der Makro Betrachtung wäre ich durchaus geneigt in Aktien zu investieren. Beim letzten Artikel hatte ich noch Transocean, Ensco, Rowan Companies, Diamond Offshore und Noble betrachtet. Um eine Idee zu bekommen, ob sich die Bewertungen zum jetzigen Zeitpunkt günstiger darstellen als im November letzten Jahres, wollte ich mich dieses Mal auf die ersten 3 konzentrieren. Bei Transocean kommt allerdings hinzu, dass die Übernahme von Songa Offshore erst dieses Jahr abgeschlossen wird und die Zahlen zum 31.12.2017 dementsprechend nicht besonders hilfreich sind. Deshalb habe ich die Bewertungen nur für Ensco und Rowan Companies aktualisiert. Zukünftig könnte man auch wieder über Seadrill nachdenken, wo gerade das Insolvenzverfahren in einer massiven Restrukturierung endet.
Ich habe die Bewertungen wieder nach meinem bekannten Schema vorgenommen, d.h. ich habe mir von www.VesselsValue.com wieder die aktuellen Marktwerte geben lassen. Zum Abgleich habe ich dann auch noch die Werte bei Bassoe Offshore nachgeschaut und jeweils den niedrigeren der beiden Werte angesetzt, um auf der sichereren Seite zu sein. Dazu kommt das aus meiner Sicht werthaltige Umlaufvermögen, wie Cash und Forderungen sowie der Wert der order backlogs. Diesen zu ermitteln wird mit der Zeit nicht einfacher, denn da die Unternehmen jetzt wieder in größerem Umfang neue Aufträge bekommen, kann man nicht mehr automatisch davon ausgehen, dass das ganze backlog aus lukrativen Altverträgen besteht. Zum Glück berichten die Unternehmen in den Jahresabschlüssen darüber wie sich das backlog verteilt und so habe ich das 2016‘er backlog um den Verbrauch für 2017 reduziert und neue Aufträge ignoriert. Von diesem backlog habe ich dann 25% als zusätzlichen Wert angesetzt.
Bewertung Ensco
www.VesselsValue.com sieht den Flottenwert von Ensco bei USD 4,8 Mrd. Bassoe Offshore kommt auf rund USD 5 Mrd. und damit 5% mehr. Hinzu kommt Umlaufvermögen von USD 1,2 Mrd. und nach meinen Kalkulationen ein Wert des backlog von rund USD 0,5 Mrd. Demnach beträgt der Unternehmenswert USD 6,5 Mrd. und dem stehen Verbindlichkeiten von rund USD 5,9 Mrd. gegenüber. Meine Bewertung des Eigenkapitals liegt deshalb bei etwas über USD 0,6 Mrd. Die tatsächliche Marktkapitalisierung liegt mit etwas über USD 2 Mrd. mehr als dreimal so hoch.
Bewertung Rowan Companies
www.VesselsValue.com bewertet die Flotte von Rowan mit bei USD 2,5 Mrd. und Bassoe Offshore kommt auf USD 2,3 Mrd. und damit 9% weniger. Hinzu kommt Umlaufvermögen von USD 1,6 Mrd. und nach meinen Kalkulationen ein Wert des backlog von rund USD 0,2 Mrd. Das backlog von Rowan ist in sofern speziell, weil ein Teil des Geschäfts in ein Joint Venture mit Saudi Aramco ausgegliedert wurde. Der berichtete backlog ist deshalb stärker gefallen, als nach der Prognose 2016 zu erwarten gewesen wäre. Ich habe mal trotzdem letzteren Wert genommen, weil ich davon ausgehe, dass die wirtschaftliche Substanz in dem Joint Venture immer noch vorhanden ist.
Demnach beträgt der Unternehmenswert USD 4,1 Mrd. und dem stehen Verbindlichkeiten von rund USD 3,1 Mrd. gegenüber. Meine Bewertung des Eigenkapitals liegt deshalb bei rund USD 1 Mrd.
Im Falle von Rowan Companies liegt die tatsächliche Marktkapitalisierung um etwa die Hälfte höher bei USD 1,5 Mrd.
FAZIT
Meiner Meinung nach sind die Aussichten für Offshore Öl und Gas besser als sie zunächst vielleicht scheinen. Wahrscheinlich ist meine Bewertung der Driller, die ich exemplarisch für Ensco und Rowan dargelegt habe, deshalb sogar zu konservativ. Ich kann und will aber trotzdem nicht anfangen, ohne auf den Preis zu achten nur auf Basis von Makro Einschätzungen zu investieren. Für eine detaillierte Cash Flow Prognose, die vielleicht die höheren Werte rechtfertigen würde, fehlen mir die Kenntnisse und deshalb warte ich erneut nur ab.
Ich werde mich allerdings im Nachgang zu diesem Artikel noch mal mit den mittelfristigen Anleihen von Rowan Companies beschäftigen.
Danke für deinen Artikel. Ja welch ein Wunder. Tiefere Bohrungen kosten mehr Geld. Solange man noch genug sweet spots hatte, war das kein Thema. Allerdings dürften auch die Schulden die Fracker von all zu schneller Expansion der Förderung abhalten. Selbst die Öl-Majors üben sich in Disziplin.
Und neue Teersand-Projekte in Kanada sind bei den Ölpreisen auch nicht zu erwarten.
Die Bewertungen sind nicht nachvollziehbar und in der Tat sehr pessimistisch. Offenbar bevorzugen die von dir gewählten Plattformen auch pro-zyklische Bewertungen. Beim nächsten Zyklus-Hoch werden dann wieder euphorische Bewertungen ausgerufen. Die Wahrheit liegt dazwischen.
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